Trainerwelten
von Günter ClobesUnd da sage noch jemand, die Liga sei langweilig. Nach dem Getöse um den neuen Fernsehrechte-Deal mit dem wieder auferstandenen Leo Kirch macht urplötzlich eine ganz andere Garde von sich reden. Auf einmal und in sehr unterschiedlichen Formen melden sich die Trainer zu Wort. Und es geht dabei nicht wirklich um Geld oder ungerechtfertigte Bauernopfer, sondern um Macht.
Allen voran Klaus Toppmöller und Ernst Middendorp. Der Erste stellt als Nationaltrainer Georgiens (!) aus der Ferne dem angeschlagenen Ex-Verein seine Retterdienste zur Verfügung, vorausgesetzt er bekommt sämtliche (!) sportliche Vollmachten. Der Zweite, Middendorp, hält sich mittlerweile wohl nicht mehr bloß für den „Trainer des Jahrhunderts“, sondern für den Oberarminen schlechthin. Außer ihm selbst bestimme niemand, wann er seine Arbeit in Bielefeld zu beenden habe, deklamierte er unlängst und öffentlichkeitswirksam. Er maßt sich damit etwas an, was der schlaue Felix Magath in Wolfsburg schon längst etabliert hat: Geschäftsführer, Trainer und Sportdirektor in einer Person zu sein (wann er auch den Vereinsvorsitz übernimmt, dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein…)
Nicht ganz so doll treiben es die Herren Wolf und Rehhagel. Wolfgang Wolf hat aus „finanziellen Gründen“ abgelehnt, die Kickers aus Offenbach zu trainieren; seine Abfindung aus Kaiserslautern läuft ja auch noch bis ins Frühjahr 2008 und scheint mehr wert zu sein. Otto Rehhagel dagegen hält sich auch mit 69 noch für fit genug, in die Bundesliga zurückzukehren. Mehr noch: „Könnte ich eine Mannschaft zusammenstellen, in der alle Spieler älter als 30 sind (…), die schon alles erlebt haben (…), die total raffiniert sind, dann würden wir auch den FC Bayern München schlagen.“
Geht’s noch? Auch andere deutsche Trainer im Ausland gerieren sich einigermaßen durchgeknallt und bizarr. Bernd Schuster z.B. kanzelte die versammelte Sportpresse in einer Pressekonferenz ab, indem er ihr attestierte, keine Ahnung zu haben und dementsprechend auch keine Fragen stellen dürfte.
Weiß jemand, was da eigentlich los ist? Hat das Ventil nicht mehr gehalten, das die Trainer sonst zurückgehalten hat, wenn es um Macht, Einfluss und Themensetzung ging? Oder merken die sportlich Verantwortlichen, dass neue Zeiten angebrochen sind, in denen Neupositionierung dringend erforderlich ist, will man ein adäquates Stück vom Kuchen abhaben? Oder ist das doch alles einfach nur das übliche Kriegsgeheul, gepaart mit ein bisschen viel Realitätsverlust und Hybris? Hoffen wir einfach mal, dass die Liga nicht noch mehr solcher Zauberlehrlinge hervorbringt, die nicht mehr wissen, wie sie das Wasser halten sollen.
indian summer schrieb am 6. November 2007:
Sicherlich erscheint es ungewöhnlich, wie klaus toppmöller sich beim 1.fck ins gespräch gebracht hat.
Jedoch gebe ich zu bedenken, daß der verein seit mindestens fünf jahren sowohl in einer auf die vereinsführung bezogenen wie auch in einer sportlichen krise steckt.
Jetzt ist die karre so tief in den sprichwörtlichen dreck gefahren worden, daß nur noch außergewöhnliche maßnahmen besserung versprechen, und insofern ist die einmischung toppmöllers willkommen, vor allem vor dem hintergrund der im dezember stattfindenden mitgliederversammlung, bei der endlich klar und deutlich die gründe und die namen der verantwortlichen für den niedergang benannt werden müssen.
Idonet schrieb am 7. November 2007:
Könnte aber auch sein, daß die Jounalisten mal nachdenken müssen, ob sie noch zeitgemäß ihren Job verrichten.
„Sie haben ein Tor geschossen, wie fühlen Sie sich?“ „30 Meter vor dem Tor, Sie ziehen ab, der Ball fliegt in den Winkel – Wie haben Sie die Szene gesehen?“ – Wenn man sich solche und ähnlich blöde Fragen seit 20 Jahren Tag für Tag anhören und beantworten muß, reicht es einem irgendwann. Und zwar sowohl als Spieler als auch als TV-Zuschauer.
Oder die dreiste Art, mit der Fragen oft gestellt werden, um sich selbst zu profilieren.
Stellen wir uns mal die Frage, wer ein Recht hat, einen Spieler massiv zu kritisieren, der an einem Tag sein Bestes gibt, aber der selbst oder dessen Team in einer Krise ist und halt nicht besser spielen konnte.
Und so kommen dann diese „Wir woll Euch kämpfen sehn“ Kampagnien zustande. Kerle, die selber nichts bringen, sich das Hirn mit Alkohol längst vernichtet haben, wollen Leute, die, aus welchem Grunde auch immer, aber auf jeden Fall nicht mit Absicht versagen, gewinnen sehen.
Auch noch so „kritische“ Fragen von Jounalisten werden es nicht verhindern, daß der Tabellenplatz 1 am Ende einer Saison nicht von 18 Vereinen belegt werden wird.
Premiere zu schauen wird meiner subjektiven Meinung nach immer mehr zum Ärgernis. Diese überheblichen, angeberischen Stimmen und Stimmlagen der Reporter, diese seit Jahren immer gleichen Belehrungen, wie der Zuschauer ein Spiel zu bewerten hat; Zitat: „Tut mir leid, daß ich Ihnen kein besseres Spiel zeigen kann“.
Fragt da mal jemand, ob der Kommentator noch ganz bei Trost ist? Wenn’s mir gefällt schau ichs mir an, wenn nicht schalt ich ab – mit den blöden Kommentaren (mittlerweile hat man ja immer seltener die Möglichkeit auf Stadionton zu schalten, wie früher) wird fast jede Spielbegleitung durch Kommentatoren zum Angriff auf die Intelligenz des Zuschauers.
Ich würde sagen, wenn sich Trainer jahrelang Spieltag für Spieltag mit immer den gleichen dümmlichen Fragen konfrontiert sehen, dann sollten sie ihren Gesprächspartnern verdeutlichen, daß sich, bei der heutigen Medienvielfalt, etwas grundlegend ändern muß. Und wenn es bedeutet, daß ein paar Schafsköpfe ihren Arbeitsplatz verlieren.
Vielleicht ist das der Grund, warum es momentan auffällt, daß einige Trainer den Spieß umdrehen.
M.Wiemer schrieb am 8. November 2007:
Nun die angesprochenen Trainer haben halt auch ein gesundes Selbstbewußtsein. Ist dies berechtigt ? Nun der angesprochene Klaus Toppmüller hat mit Bayer Leverkusen 2002 das letzte mal eine Deutsche Mannschaft in ein Championsleaguefinale geführt. Seine jetzige Mannschaft Georgien hat Schottland geschlagen und damit die fast sicher geglaubte Teilnahme der Schotten an der EM 2008 arg in Frage gestellt. Middendrop hat Bielefeld sensationell letzte Saison vorm Abstieg gerettet und vorher im nächsten WM Ausrichter Land Südafrika bemerkenswerte Arbeit geleistet. Magath seine Meriten aufzuzählen hieße Eulen nach Athen zu tragen. 2x hintereinander das Double geholt mit Bayern München und vorher die jungen Wilden in Stuttgart in die europäische Königsklasse geführt und dort Manchester United mit einer Niederlage nach Hause geschickt. Die Ansammlung von Funktionen (Trainer, Geschäftsführer und Sportdirektor) ist halb so schlimm. Dieses ähnliche Modell hat ja mit Felix Magath auch in Stuttgart ganz gut geklappt. Wolfgang Wolf seine sportlichen Erfolge sind momentan nicht ganz so doll. Wenn jedoch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen mag ich nicht den Zeigefinger der moralischen Aufregung heben. Wir leben in einer Gesellschaft wo Geld eine zentrale Rolle spielt. Okay ich weiß der letzte Satz ist von Hans Meyer abgekupfert. Rehagel ist immer noch fit wie ein Turnschuh. Da sieht mancher 45 jährige Trainer im Vergleich dazu alt aus.
Sport ist Entertainment. Da sind besonders zur Zeit die Statements von Middendrop köstlich. Er erinnert ein wenig an den ein oder anderen Motivationstrainer der Leute über die Glasscherben laufen lässt oder über glühende Kohlen. Seine Sätze sind zur Zeit von einer faszinierenden Aura begleitet. Da kommt im Unterhaltungsbusiness kein Harald Schmidt oder Stefan Raab oder eine Anke Engelke mit. Spaß beiseite Ernst kommt die Treppe hoch. Er hat ja noch eine schöne 180 qm Wohnung in Südafrika. Mit dieser Gelegenheit zum Rückzug spielt er momentan die Karte „Mir kann keiner was“.
Außer ihm selbst bestimme niemand, wann er seine Arbeit in Bielefeld zu beenden habe, deklamierte er unlängst und öffentlichkeitswirksam.
Dies ist für mich schon jetzt der Saisonklassiker der Sprüche in der Saison 2007/2008.
binnensider schrieb am 8. November 2007:
Lieber Gerd Clobes,
versuchen Sie da nicht einen Trend zu sehen, wo wirklich keiner ist ?
Schon die Auswahl der Trainer ist ja nicht wirklich repräsentativ: zwei alternde Trainer, von denen einer nach dem ihm nicht wirklich anzuhängenden Scheitern in der EM-Qualifikation langsam wieder in heimatliche Gefilde strebt. Dazu ein Trainer von insgesamt 20 aus der spanischen ersten Liga, ein Bundesligatrainer und ein Zweitligatrainer, der noch dazu nicht durch wirklich bahnbrechende Äußerungen auffällt, sondern schlicht durch -vielleicht etwas stumpfsinniges- Beharren auf seinem Vertrag.
Letzteres ist so neu nicht, da etwa selbst in den Niederungen der Regionalliga die Trainersuche bei Kickers Emden zu Beginn der Saison dadurch behindert wurde, daß der als Wunschkandidat gehandelte Heiko Weber lieber seine vertraglichen Bezüge bei Jena weiterkassierte, als anderweitig tätig zu werden.
Wenn man denn über einen Trend bei Trainern diskutieren wollte, dann ist es meines Erachtens allemal die zumindest bei Felix Magath und Ernst Middendorp vollständig oder ansatzweise zu beobachtende Verantwortungskonzentration. Hier sind sicherlich Überlegungen sinnvoll, ob dies auch ein Modell für die Bundesliga sein kann; in England ist es seit Jahrzehnten üblich.
M.Wiemer schrieb am 9. November 2007:
Ihre Antwort auf meinen Beitrag sollten ruhig alle Fußballinteressierten lesen dürfen. Machen Sie es doch am besten so wie O. Richter. Er antwortet auch immer für alle lesbar.
hallo michael,
danke für den kommentar, den ich allerdings nicht so ganz akzeptieren kann. natürlich ist ein gesundes selbstbewusstsein nicht schlecht, wenn man etwas erreichen will; und natürlich haben einige der trainer ihre verdienste (wobei die doch überwiegend schon ziemlich am verblassen sind…)
worum es mir ging, war nicht, den trainern abzusprechen, dass sie ihre eigenen duftmarken setzen. was mir nur aufgefallen ist (und man muss abwarten, ob das ein trend ist), dass sie recht aggressiv zu werke gehen – bis eben hin zu ein bisschen realitätsferne (wie mindestens im falle middendorp und schuster). unabhängig davon, ob sie meriten erworben haben oder nicht, sind sie trotzdem teil des ganzen, mit einer klar definierten rolle in einem hierarchischen sytem – ob ihnen oder uns das nun gefällt oder nicht. so haben sie nicht das recht, in der von ihnen gewählten form (=arroganz) an die öffentlichkeit zu treten. sie sind teilnehmer am gesamtspiel und müssen sich deshalb nicht wundern, wenn die anderen teilnehmer sich dagegen verwahren. wir als fans sind nach meiner meinung auch immer noch solche teilnehmer, die das recht haben, gegen ein solches verhalten die stimme zu erheben.
freundliche grüße
günter clobes
Herr Clobes es ist alles nur ein Spiel. Hierarchien – wer legt Sie denn fest ? Wieso sollen die Trainer nicht ihre eigene Meinung haben ?